Es ist Krebs! – Nur ein kleiner Eingriff, nur zwei Tage

Der kleine Eingriff, um etwas Gewebe aus dem Gebärmutterhals zu entfernen. Und nur zwei Nächste im Spital. P. übersteht das Ganze problem- und fast schmerzlos. Bleibt nur noch, den pathologischen Befund abzuwarten. Der aber schlägt ein wie eine Bombe!

Mittwoch, 15. Januar 2014

Ich fahre mit P. ins Seespital in Horgen zur Besprechung mit der Anästhesie-Ärztin. Selbstverständlich ist P. nervös – sie hat grundsätzlich Angst vor Operationen. Ein paar Fragen von beiden Seiten, Infos über den Ablauf am morgigen Tag – alles klar. Wir fahren wieder nach Hause und sind erstaunlich ruhig. Ein gutes Zeichen?

Donnerstag, 16. Januar 2014

Um 12:00 sind wir wieder im Spital: «Einrücken» für die Operation. P. ist sehr nervös, es ist für sie sehr ungewohnt (das letzte Mal war sie bei der Geburt unserer N. im Spital, das ist über 16 Jahre her). Ich bleibe bei ihr im Zimmer bis das Eintrittsprozedere vorüber ist. Ich war – zum Glück – auch noch da, als der Arzt gekommen ist, um den kleinen Eingriff zu erklären und unsere Fragen zu beantworten. Das gab uns ein gutes, sicheres Gefühl, dass nach dem Eingriff alles wieder in Ordnung sein würde. Den Bescheid der Pathologie «in etwa zehn Tagen» werden wir noch abwarten müssen, aber dann … Danach fahre ich mit viel Zuversicht nach Hause.

Um 15:45 wird P. vorbereitet für die OP und in den Operationssaal gebracht. Um etwa 18:30 ruft sie uns an: «Mir geht es gut, noch ein bisschen benebelt.» Die Operation habe aber rund dreimal so lange gedauert als die zuvor geschätzten 15 Minuten. «Schmerzen habe ich keine. Und schlecht ist mir auch nicht.» Das sind ausgezeichnete News! Also machen wir, unsere Tochter und ich, uns auf den Weg ins Spital. P. war ziemlich müde, was aber nicht erstaunt. «Durst habe ich! Und Hunger!». Auch das ist nichts Besonderes, sie darf aber noch nichts essen. N. und ich machen uns schon bald wieder auf den Heimweg. Aus zwei Gründen: P. ist sehr müde und möchte früh schlafen. Zudem wird N. schlecht – wie eigentlich immer in Krankenhäusern. Wie das wohl werden wird, wenn sie tatsächlich Medizin studieren und Ärztin werden wird?

Freitag, 17. Januar 2014

Am Morgen telefonieren wir: «Ich habe ziemlich gut geschlafen, ohne Schmerzen. Und jetzt darf ich endlich essen!», sagt P. Gegen Mittag kommt Dr. S. bei ihr vorbei, um den gestrigen Eingriff zu besprechen: Er habe sich während der Operation entschieden, etwas mehr vom Gebärmutterhals zu entfernen als ursprünglich geplant. «Ich hatte intuitiv das Gefühl, dass es besser sei.» Das sei auch der Grund, warum die OP länger gedauert habe. Aber alles sei sehr gut verlaufen. Wir würden in rund zehn Tagen Bescheid bekommen, was die Analyse des entfernten Gewebes ergeben habe.
P. geht es ausgezeichnet: sie hat keine Schmerzen, ist nicht mehr übermässig müde und hat Appetit. Alles bestens. Trotzdem entscheidet sie gemeinsam mit dem Arzt, dass sie noch einen Tag im Spital bleibe, um sich zu erholen.

Nach der Schule fährt unsere N. mit dem Zug ins Spital und überrascht P. Ich komme wenige Minuten später mit dem Auto nach. Wir bleiben allerdings auch diesmal nicht lange – der «Frau Dr. med. in Spe» wird wieder schlecht :-)

Samstag, 18. Januar 2014

P. ruft schon früh am Morgen an, ihr sei langweilig, sie wolle nach Hause. Ein gutes Zeichen! Selbstverständlich mache ich mich sofort auf den Weg, ich vermisse meine Frau auch schon nach zwei Tagen :-) Um 10:30, und damit lange bevor unsere Tochter aus dem Teenie-Schlaf erwacht ist, sind wir wieder zu Hause.
In den kommenden Tagen muss P. sich schonen und ist für min. 1 Woche 100% krank geschrieben. N. und ich schmeissen den Haushalt. Dann gibt’s halt ab und zu McDrive :-)

Was aber nicht einfach ist: das Warten auf den Befund der Pathologie. 10 Tage soll’s dauern. Wir rechnen vorsichtshalber mit einem Bescheid nicht vor der Woche vom 27. Januar.

Freitag, 24. Januar 2014

Unsere N. ist mit ihren Freundinnen im Alpamare: «Wir wollen den Abschluss des Semesters mit Schwimmen und Wellness geniessen». Wir haben keine Zeit festgelegt, wann sie wieder zu Hause sein muss, weil das Bad sowieso um 23:00 Uhr schliesst, haben allerdings vereinbart, dass sie mir ein WhatsApp schickt mit der Zeit, wann ich sie und ihre Freundinnen abholen und nach Hause bringen soll.
Kurz vor 20:00 Uhr schaue ich auf mein Handy – keine Nachricht von N. Wir schauen auf P.s Handy – auch keine Nachricht unserer Tochter. Aber zwei Anrufe in Abwesenheit, von einer Festnetz- und einer Mobile-Nummer, die wir nicht kennen. Zum Glück mit Voicemail, die wir abhören.
Es ist Dr. S., der Gynäkologe, der P. operiert hat. «Rufen Sie mich so bald wie möglich an. Ich halte mir den ganzen Nachmittag frei!» sagt er in der Nachricht von 13:00 Uhr.
Uns beiden ist schlagartig klar, was das bedeutet! Oh, mein Gott!!! Mit zittrigen Händen ruft P. ihn auf seinem Handy an. Er sei grad beim Abendessen, aber das sei überhaupt kein Problem, antwortet er auf die Frage meiner Frau, ob sie störe. «Es ist Krebs! Aber sie werden es überleben, glauben Sie mir!» Er bietet uns an, ihn morgen Samstag im Krankenhaus zu treffen (obwohl es sein freies Wochenende sei). Natürlich nehmen wir an, noch so gern! «Vielen Dank und bis morgen!», verabschiedet sich P.
Wir schauen uns entgeistert an und nehmen uns in den Arm. Drücken uns, schütteln ungläubig den Kopf. Die Tränen laufen. «Das darf doch nicht war sein!!!», sagen wir immer wieder. «Wieso? Das kann doch nichts mit Darmkrebs zu tun haben!», sagt P. (ihr Vater ist 3 Monate vor der Geburt unserer Tochter innert weniger Wochen an Darmkrebs gestorben – P. ist als erblich vorbelastet). «Verdammt, das ist nicht fair!», denke ich immer wieder.
Wir möchten mit der ganzen Welt darüber zu sprechen, intuitiv spüren wir, dass uns das jetzt gut täte. Zum guten Glück verwerfen wir diesen Gedanken schnell wieder: es wäre falsch mit anderen darüber zu reden, bevor wir wissen, was wirklich Sache ist. Uns ist klar, dass wir unserer Tochter diese Belastung heute nicht zumuten dürfen; nicht, solange wir nicht mehr wissen über die Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen. Wir müssen das Gespräch vom nächsten Vormittag mit Dr. S. abwarten. Danach werden wir selbstverständlich N. und die Familie informieren. Aber erst dann – da müssen wir beide durch.
Wir reden und reden. Und weinen. Und reden. Irgendwann kommt auch eine WhatsApp-Nachricht von N., sie würden von der Mutter der einen Freundin abgeholt und nach Hause gebracht, sie sei um ca. 23:30 Uhr zu Hause. Erstaunlich, wie man sich in der Verantwortung als Eltern zugunsten seines Kindes zusammennehmen kann: als N. nach Hause kommt, sind wir wie vorher, hören ihr zu, wie sie vom coolen Abend mit ihren Freundinnen erzählt und freuen uns mit ihr. Wir machen uns alle drei bettfertig – «gute Nacht!». Nicht ohne N. zu sagen, dass wir morgen ca. 09:30 Uhr zu P.s Schwester fahren würden, damit ich ihren neuen Fernseher installieren könne. «Vermutlich sind wir nicht vor 13:00 Uhr zurück – aber Du schläfst ja sowieso länger!», sagt meine Frau zu unserer Tochter – mit einem Grinsen. Meine tapfere Frau!
Meine Frau und ich schlafen in dieser Nacht so gut wie gar nicht. Wen wundert’s? Von Angst vor der Zukunft, über die Sorge um unsere Tochter bis hin zu «Ach, das wird schon gut gehen!» – alle möglichen und unmöglichen Gedanken überschlagen sich in unseren Köpfen.

Samstag, 25. Januar 2014

Um 10:00 Uhr treffen wir den Frauenarzt im Spital. Er erklärt uns, dass er mehr heraus geschnitten hätte, als vorgesehen. Und in genau diesem Teil sei der Krebs gewesen. Hätte er weniger heraus genommen, hätte es sein können, dass das Karzinom drin geblieben und der Krebs nicht entdeckt worden wäre. Mir läuft’s bei diesem Gedanken und bei den Gedanken an die Auswirkungen (Wachstum des Karzinoms, Metastasen etc.) kalt den Rücken hinunter!
Dr. S. erklärt geduldig, beantwortet unsere Fragen, zeichnet auf einem Blatt die Situation auf.

Seine positive Art hilft uns sehr. Hilft uns auch, zuhören, nachfragen und verstehen zu können. Das wissen wir jetzt:

  • Das entfernte Gewebe enthielt ein Karzinom – Krebs! Ein «carcinoma in situ» sei es, ein Tumor, der in der Regel (!) nur in sich selbst wachse und keine Metastasen bilde.
  • Trotzdem brauche es eine zweite Operation, bei der Gebärmutter samt Gebärmutterhals, Eierstöcke und etwa die Hälfte der Lymphknoten in diesem Bereich entfernt würden. Um sicherzustellen, dass sich allfällige Krebszellen in diesen Organteilen nicht verbreiten können.
  • Sollten sich hier wider Erwarten weitere Krebszellen befinden, müsste danach über die weitere Behandlung (Bestrahlen, Chemotherapie etc.) gesprochen und entscheiden werden.
  • Die zweite Operation sei grösser und dauere länger als die erste, aus chirurgischer Sicht sei sie aber keine komplizierte Angelegenheit. P. müsse etwa 1 Woche im Spital bleiben und sich danach 4-6 weitere Wochen schonen (und wird für diese Zeit 100% krank geschrieben). P. fragt, ob sie dafür in eine Kur müsse. «Dafür sind sie viel zu jung, sie würden sich furchtbar langweilen. Sie können sich genauso gut zu Hause erholen, wenn Ihr Mann und Ihre Tochter Ihnen alles abnimmt.» Keine Frage, das werden wir selbstverständlich tun!

Am Schluss des Gesprächs fühlen wir uns leer. Und in einem Gefühlswirrwarr: eine chaotische Mischung aus Zuversicht, Angst, Trauer, Ratlosigkeit.

Nach dem Spital fahren wir zu P.s Schwester. Ich installiere und konfiguriere den neuen Fernseher. Währenddessen plaudern wir Belangloses (damit P. und ich nicht in Tränen ausbrechen). Erst danach erzählen wir vom gestrigen Telefonanruf und der heutigen Besprechung mit Dr. S. Natürlich gibt’s auch hier wieder Tränen. Und viele Fragen, die wir so gut es geht auch beantworten.

Danach fahren wir wieder nach Hause. Mit einem Kloss im Hals, denn jetzt wird’s happig: wir müssen es unserer N. erklären. Als wir nach Hause kommen, ist sie zwar schon wach, liegt aber noch im Bett. Wir setzen uns zu ihr und plaudern. Nach ein paar Minuten erzählen wir ihr, dass wir soeben im Spital waren, um mit dem Gynäkologen zu sprechen. Denn der Befund des ersten Eingriffs sei leider nicht gut, Mami habe Krebs und müsse ein zweites Mal operiert werden. Natürlich brechen wir alle in Tränen aus, nehmen uns in den Arm. Uns als Eltern tut’s furchtbar weh, dass unsere Tochter das erfahren und verarbeiten muss. Sie hat leider schon einige Todesfälle in der nächsten Familie mitbekommen müssen. Aber so nah wie jetzt … Furchtbar! Sie fragt uns Löcher in den Bauch und wir antworten offen, soweit wir eine Antwort auf ihre Fragen wissen. Wir sagen ihr, sie müsse nicht tapfer sein und könne selbstverständlich über alles mit uns reden, jederzeit. Und dass P. offen darüber sprechen wolle und wir kein Geheimnis daraus machen müssten. Das bedeutet auch, dass N. mit ihren Freundinnen, die ihr sehr nah und wichtig sind, sprechen darf. Und dass diese es weiter erzählen dürfen, um nicht die Last alleine tragen zu müssen.

Im Laufe des Nachmittag telefoniert P. mit ihrer zweiten Schwester und mit unserem älteren Neffen, ich rufe den jüngeren Neffen an. Wir erzählen, beantworten Fragen und erklären so gut, wie wir’s halt können. Natürlich trifft’s alle hart.

Danach fühlen wir uns endgültig «leer» und müde. P.s bald 82-jährigen Mutter wollen wir’s nicht per Telefon mitteilen. Sie würde wohl die Tapfere spielen und wäre danach allein mit ihrem Kummer und ihrer Angst um ihre jüngste Tochter. Wir verschieben das wohl oder übel auf morgen.

Sonntag, 26. Januar 2014

P. will die Situation ihrer Mutter nicht am Telefon erklären. Sie fährt zusammen mit ihrer einen Schwester zur Mutter (wir denken, dass es besser sei, wenn ich nicht dabei bin) und erzählt ihr von der schrecklichen Diagnose. Natürlich fliessen auch bei ihr die Tränen. Details aber mag sie nicht hören und läuft weg – sie kann diese Vorstellung vermutlich anders nicht ertragen. P. und ihre Schwester haben aber das Gefühl, dass sie diese furchtbare Sache relativ gut aufnimmt. Zumindest nach aussen – wir kennen sie …

So, jetzt wissen alle in der Familie Bescheid. Wir werden sehen, wie die Zeit bis zur zweiten Operation verlaufen werden und wie’s uns allen dabei geht …


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