Journalismus heute: knackiger Titel um jeden Preis?

Selbst als „Ãœberhauptnicht-Journalist“ gehe ich davon aus: Ein Titel, eine Schlagzeile, ist wichtig, um Leser/innen „in den Artikel hinein zu holen“. Im Online-Bereich wird das noch viel entscheidender sein als bei den Printmedien, da wir in der Regel innert weniger Sekunden entscheiden, ob wir weiterklicken.

Genügt es aber den Ansprüchen an die journalistische Kunst (und den Erwartungen der Leserinnen und Leser), wenn der Titel auffällt, wenn er „zieht“? Offenbar ohne erkennbaren Anspruch an andere (Qualitäts-)Kriterien? An den spielerischen, aber sorgfältigen Umgang mit Sprache?

Ich befürchte: Ja!

Am Freitag, 30. Oktober 2009, hat der neue Bundesrat Didier Burkhalter das Amt von Vorgänger Pascal Couchepin übernommen. Der Tages-Anzeiger Das Newsnetz („Newsnetz: der schnellste Qualitätsjournalismus im Netz!“) berichtet in der Inland-Rubrik seiner Websites, aber auch im Ressort „Leben“:


(Quelle: Screenshot Tages-Anzeiger, 1.11.2009)

Meine Meinung:

  1. Den Stil eines neuen Bundesrates, eine öffentliche Person, kritisch zu beleuchten, ist absolut legitim (da es im Newsnetz durchaus Artikel gibt, die sich mit der fachlichen Qualifikation beschäftigen).
  2. „Ohne Frisur“ ist wertend, eindeutig negativ wertend. Hier suggeriert Journalist Dani Glaus, wer „keine Frisur“ habe, sei doch noch mieser dran als mit einer schlechten Frisur.
  3. Wer als Journalist in klugscheisserischer Manier über jemanden berichtet, sollte zumindest eines beherrschen: korrektes Deutsch. Das wäre beispielsweise daran zu erkennen, dass er „Krawatte“ und nicht „Kravatte“ schreibt.

Um mehr Leser/innen für diesen Artikel zu gewinnen, hätte ich einen anderen Titel wählen müssen: „Ohne journalistischer Qualität, dafür mit Schreibfehler“.

8 Kommentare zu „Journalismus heute: knackiger Titel um jeden Preis?

  1. @Sam: mehrere Blogs schreiben (wie Du es auch tust), mag eine journalistische oder jourmalisten-ähnliche Tätigkeit sein. Aber unter Journalismus i.e.S. verstehe ich doch eine Tätigkeit, die (auch) auf einem handwerklichen, soliden (Fach-)Wissen aufbaut. Und das habe ich – wenn überhaupt – nur „handglismet“.

  2. Wobei ich erlebt habe, dass bei jeder Geschichte, bei der ich Hintergrundwissen gehabt habe, sich mir gezeigt hat, dass das, was „professionelle“ Journis so schreiben voll ist von Hafechäs. Um die „Digital“-Rubriken noch nicht mal zu erwähnen.

    Journalismus, wie es du dir vorstellst, wird meiner Meinung nach von keiner Redaktion eines Massenmediums mehr gemacht – diese Redaktionen können sich das nicht leisten (Zeitaufwand und Löhne für wirkliche Fachpersonen).

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